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Feuilleton & Firlefanz

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Gesehen: Jessy (2021) - Hölzerne Familie

Wer ist Mutter? Wer ist Vater? Ein Laborversuch.

Gesehen: Jessy (2021) - Hölzerne Familie
Foto: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin, RBB, Silva Film

Entlang dieses Films lassen sich eigentlich wunderbar und in aller Kürze soziale Konstrukte erklären. Denn Blutsverwandtschaft als Basis des Konstrukts Familie reicht noch lange nicht aus – das sehen wir hier in dieser erzwungenen Anordnung, die vielleicht räumliche, aber noch längst keine emotionale Nähe zwischen den Figuren herstellt. Familie ist letztlich, wer familiär handelt, und wird nicht nur durch die Einträge „Mutter" und „Vater" auf der Geburtsurkunde der Tochter bestimmt. „Weil das eben so ist und immer schon so war" ist keine Basis, auf der Familie funktionieren kann.

Dabei wirkt der Film jedoch überaus hölzern und fast schon artifiziell. Das lässt

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Gesehen: Sirāt (2025) - Geister in der Wüste

Menschen verlieren durch Verluste die Verhaftung an der physischen Welt

Gesehen: Sirāt (2025) - Geister in der Wüste
Foto: Pandora Film Verleih

Für mich ist SIRĀT eine Geistergeschichte. Denn das Leben, das dieser Mann führt, lässt sich kaum als solches bezeichnen. Er zieht mit seinem Sohn im Schlepptau nur noch von Rave zu Rave, immer auf der Suche nach seiner für ihn spurlos verschwundenen Tochter. Seine Tochter ist für ihn zum Geist geworden und er versucht nun, ihr auf diese Ebene zu folgen, über die Raves zu geistern und sie so zu finden.

Er haftet immer weniger an dieser Welt und seinem eigenen Leben. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass er schließlich unbeirrt und unbeschadet über ein Minenfeld laufen kann. Es ist

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Kinotagebuch: The Mastermind (2025) - Kluger Verzicht

Kelly Reichardt bringt uns gekonnt zum Stolpern

Kinotagebuch: The Mastermind (2025) - Kluger Verzicht
Foto: Mubi

Es mag ein bisschen paradox klingen, aber ich fand es super angenehm, wie oft und zuverlässig dieser Film mich zum Stolpern gebracht hat – aber eben nie durch gezielt aus dem Rahmen fallende Irritationen, sondern alleine durch den Verzicht auf dramatische Zu- und Überspitzung. Deshalb kann ich mich auch nicht so recht mit dem Begriff des „Anti-Heist-Films" anfreunden, den ich im Zusammenhang mit THE MASTERMIND schon oft gelesen und gehört habe.

Kelly Reichardt steckt hier nämlich eben nicht am laufenden Band Stöcke zwischen die Speichen – das machen ausschließlich wir als Publikum, weil unser Blick und unsere mit dem Genre verknüpfte Erwartungshaltung

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Kinotagebuch: Kontinental ’25 (2025) - Form follows function

Radu Jude nimmt stellenweise so viel Tempo aus dem Film, dass es unangenehm wird

Kinotagebuch: Kontinental ’25 (2025) - Form follows function
Foto: Grandfilm

Radu Judes Bandbreite ist einfach unglaublich. Wer direkt von DO NOT EXPECT TOO MUCH FROM THE END OF THE WORLD kommt, klatscht bei KONTINENTAL '25 regelrecht gegen eine Wand. Der Film schaltet nicht nur ein paar Gänge runter, er kommt fast schon zum Stillstand. Form follows function, denn bei der Protagonistin und gesellschaftlich bewegt sich gar nichts mehr – jedenfalls nicht vorwärts.

Radu Jude nimmt stellenweise so viel Tempo aus dem Film, dass es unangenehm wird, weil den Figuren so genügend Zeit gegeben wird, sich aus Verlegenheit selbst zu entlarven. Die reine Bewegungslosigkeit der Kamera, die Verweigerung von Schnitt und die

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Gesehen: Infinity Pool (2023) - Gegenwärtige Finsternis

Rückbezüge und Vorgriffe auf die Weltgeschichte lassen sich nicht ausblenden, sie sind Teil der filmischen Struktur

Gesehen: Infinity Pool (2023) - Gegenwärtige Finsternis
Foto: Universal Pictures Germany

Was diesen Film für mich so finster gemacht hat, ist seine Gegenwärtigkeit. Es ist nicht zwingend die Eskalation der Gewalt, deren Zuspitzung oder die Drastik der Bilder, aus denen das Unwohlsein heraus entsteht. Für mich sind es eher die Menschen, die Zeug*innen dieser Abwärtsspirale werden und ihr dennoch teilnahmslos und gleichgültig beiwohnen, alles erst dulden und schließlich befeuern. Es ist die Gleichgültigkeit gegenüber dem zunehmenden Verfall der eigenen Moral und das Verschieben der eigenen, wortwörtlich und im übertragenen Sinne gemeinten Schmerzgrenzen.

Die Rückbezüge und Vorgriffe auf die Weltgeschichte lassen sich nicht ausblenden, sie sind Teil der filmischen Struktur: Die

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Gesehen: Schlafkrankheit (2011) - Unangenehmer Nihilismus

Ulrich Köhler provoziert, ohne sich mit den Abgründen gemein zu machen. Am Ende fehlt es aber an Reflexion.

Gesehen: Schlafkrankheit (2011) - Unangenehmer Nihilismus
Foto: Farbfilm Verleih

Ein sehr unangenehmer Film, der konsequent die neokolonialen Muster offenlegt, die in den Köpfen der Menschen und deshalb auch in den Strukturen von Konzern und auch global agierenden NGOs zu finden sind, deren Aufgabe es teilweise ist, genau diese ausbeuterischen Strukturen zu überwinden.

Ulrich Köhler macht hier meinem Gefühl nach keinen großen Hehl daraus, dass er auch bewusst provozierende Momente konstruiert, mit denen er sich nicht zwingend gemein macht. Indem er eine Figur schafft, die von Rassismus betroffen sein und gleichzeitig rassistischen Denkmustern unterliegen kann. Indem das Bild vom „wilden" Afrika gleichzeitig dekonstruiert und untermauert wird.

Genau aus so einem

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