Gesehen: Towards Tenderness (2016) - Vorbild gesucht
Wie viel Potenzial des Guten hier einfach im Nichts verpufft, ist deprimierend.

Ein trauriges und bedrückendes Zeugnis dessen, wie diffus und verengt die Zukunft plötzlich scheint, wenn man die Vorbilder aus der Gleichung nimmt oder sie gar nicht erst existieren. Natürlich spielen auch noch sozioökonomische Faktoren eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von jungen Männern wie diejenigen, mit denen Alice Diop hier spricht. Wie viel Potenzial des Guten hier einfach im Nichts verpufft, ist deprimierend.
Denn dieses Potenzial ist zweifelsohne vorhanden. Diops kurzes Eintauchen in diese Welt zeigt, dass diese jungen Männer sich sehr wohl artikulieren können und dass sie Zugang zu ihren (nicht sonderlich guten) Gefühlen, also sich selbst haben. Aber es wird eben auch klar, dass sie keinen wirklichen Umgang damit haben, weil ihnen der von niemandem so richtig beigebracht oder vorgelebt wurde.
Ich würde das nicht direkt als fruchtbaren Boden für Misogynie, Homo- und Transphobie sowie ein generell toxisch-männliches Rollenverständnis bezeichnen. Aber es begünstigt diese Entwicklung schon, weil es unter diesen Umständen extrem schwer ist, das notwendige Maß an Reflexion und Introspektion an den Tag zu legen. Denn da ist kaum jemand, der ihnen regelmäßig mal den Spiegel vorhält.
Der Dokumentarfilm steht noch bis zum 01. Juni 2025 in der Arte-Mediathek:

