Der Dokumentarfilm stirbt und Streamer heben schon mal das Grab aus
PR-Slob sorgt eben für the most bang for the buck 🤷♂️
Zach Schonfeld hat für den Guardian ein Stück geschrieben, das mir mit einem Megafon aus der Seele schreit. Es geht um eine äußerst bedenkliche Entwicklung auf dem Dokumentarfilmmarkt. Dort lodert nämlich seit geraumer Zeit ein Müllkippenbrand. Gelegt haben den die Streaming-Services und nun wenden sie liebend gern Zeit und substanzielle Teile ihres Budgets darauf, weiter Öl ins Feuer zu kippen.
Schonfeld umreißt gut die großen Probleme: Die Streamer wollen the most bang for the buck aka das größtmögliche (zahlende) Publikum bei möglichst wenig teueren Rechtsstreits mit den Subjekten ihrer „Dokumentarfilme". Da diese Taktik offenbar aufgeht, werden richtige Dokumentarfilme gar nicht erst finanziert.
The problem isn’t that such films exist; it’s that they suck up all the oxygen – and money – from documentary distribution.
Was bleibt, ist im besten Fall ein weichgespülter Imagefilm, im schlimmsten Fall reinste Propaganda.
Was mich als Zuschauer abseits dieser Budgetverschiebung hin zu PR-Slob so extrem ärgert: Die Macher:innen dieser Filme und Serien trauen sich entweder nicht mal, die Produktionsverhältnisse für das Publikum offenzulegen oder sie sind vertraglich dazu verpflichtet, das nicht weiter zu erwähnen. Beides ist schlecht.
Manchmal trägt man diesen blanken Hohn dann auch noch offen vor sich her – im Fall von Amazon selbstverständlich aus rein politischem Kalkül.
Meanwhile, Amazon Prime (whose parent company recently donated to Trump’s inauguration, which its CEO Jeff Bezos personally attended) is spending $40m to make a Melania Trump vanity documentary, from which the first lady will reportedly profit. Projects like that are closer to propaganda than journalism, and this one’s being bankrolled and legitimised by one of the largest and most powerful streaming companies in the entertainment industry.
Schonfelds Fazit, dem ich mich anschließe:
Documentaries ought to challenge and hold power to account more than they flatter. Instead, in a landscape where a few streaming companies owned or run by billionaires dominate the documentary market in the US, viewers are paying the price.

Um noch ein bisschen Meinung aus dem eigenen Nähkästchen hervorzukramen:
Bei Mubi gibt es etwa mit HIGH & LOW einen Film über den Modedesigner John Galliano zu sehen. Produziert wurde der von Vogue-Eigentümer Condé Nast. Der Konzern lässt sich dabei die Gelegenheit nicht entgehen, sich die eigenen Hände in Unschuld zu waschen und das eigene eklatante Versagen unter den Teppich zu kehren.

Apple TV+ hat mit MY MIND & ME einen Film im Programm, der nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch in erster Linie ein anderthalbstündiger Werbeclip ist.

Ebenfalls bei Apple läuft THE WORLD’S A LITTLE BLURRY, bei dem Billie Eilish sich zweieinhalb Stunden lang auf den Zahn fühlen lässt. Warum das ein ziemlich ordentliches Geschmäckle hat, habe ich damals™ für den Musikexpress aufgeschrieben.

Nichts aufgeschrieben habe ich zum Taylor-Swift-Porträt MISS AMERICANA, der mir allerdings durch seine ermüdend unkritische Nähe in Erinnerung geblieben ist und die Milliardärin(!) ihre Underdog-Mär weiterspinnen lässt. Ich muss immer noch lachen, wenn ich an eine Szene denke, in der Taylor Swift inmitten eines guten Dutzends von Marketingheinis ihres Labels proklamiert, dass sie es ohne Hilfe anderer komplett alleine bis an diesen Punkt geschafft habe – und alle nicken.