Filme. (Netz-)Kultur. Medien. Undso. 🖖 Von André Pitz.
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Gesehen: September 5 (2024) – Die Regeln des Spiels

André Pitz

Die Versuchung muss verdammt hoch gewesen sein, diesen Film mit Journalist:innen-Pathos unter sich zu begraben. Aber nein, hier wird nicht hochtrabend über die Bedeutsamkeit der vierten Gewalt schwadroniert. Hier erklären die Taten das Selbstverständnis dieser Journalist:innen.

Jeder vermeintlichen Pathos-Rampe wird im letzten Moment ausgewichen, weil immer und immer wieder die Realität in diese Momente hereinbricht und innerhalb kürzester Zeit folgenschwere Entscheidungen erzwingt. Es bleibt schlicht keine Zeit, schwülstig über die Rolle des Journalismus daherzulabern, es muss funktioniert werden.

Dieses Funktionieren, diesen Tunnel, der sich in Nachrichtenlagen auftut und in den man sich als Journalist:in begibt, das inszeniert Tim Fehlbaum wirklich brillant und nuanciert. Einerseits treibt er die Spannung von einem Moment auf den anderen ins Unermessliche, andererseits herrscht gleichzeitig eine beeindruckende Ruhe, weil das Auge des Sturms bereits da ist.

Diese Atomsphäre wird in ihrer Dichte in keiner Sekunde gebrochen, weil dieser Raum praktisch nie verlassen wird. Der Film schneidet etwa nie zu Szenen im Olympic Village, sondern zeigt tatsächliches (und sicherlich auch nachinszeniertes, aber das weiß ich nicht sicher) Archivmaterial und das wiederum auch weitestgehend durch den Filter eines Bildschirms hindurch.

Auch die meisten ABC-Journalist:innen erleben das Geschehen nur durch diesen Filter und müssen auf dieser Basis Entscheidungen treffen – große Entscheidungen, die im Zweifelsfall Leben oder Tod für Menschen bedeuten, aber auch unendlich viele kleine, die im Bruchteil von Sekunden abzuwägen sind.

Es ist menschliche und journalistische Realität, dass in der Retrospektive nicht immer die richtige Entscheidung getroffen werden kann. Es passieren Fehler. Es passieren schwere Fehler. Dass dem immer und immer wieder so ist, liegt in der Natur des Jobs. Mal gewinnt, mal verliert man das Spiel. Sicher ist nur: Morgen steht ein neues Spiel auf dem Plan – dafür musst du das alte hinter dir lassen und mit dem durch zuvor unterlaufene Fehler neugeformten Wissen das neue beginnen.

★★★★½

🇩🇪/🇺🇸, R: Tim Fehlbaum, D: John Magaro, Leonie Benesch, Peter Sarsgaard, Ben Chaplin, Zinedine Soualem, Georgina Rich, Corey Johnson, Marcus Rutherford, Daniel Adeosun, Benjamin Walker, Ferdinand Dörfler, Trailer, Letterboxd, Wikipedia, Foto: Constantin Film Verleih, Jürgen Olczyk

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