Isabelle Caldart arbeitet in einem Text für 54books umfassend die zahlreichen Ambivalenzen hinsichtlich Lena Dunhams HBO-Serie Girls (2012-2017) heraus. Mir gefällt dieser unaufgeregte Blick, der weit entfernt von jeglicher Glorifizierung und prinzipieller Verteufelung geworfen wird.
Für mich bringt Caldart mit diesem Text auf den Punkt, was Kunst für mich so faszinierend macht. Denn Girls war während der 2010er nicht nur ein beeindruckend authentisches Zeitdokument. Wer aus unserer Gegenwart heraus mit den sechs Staffeln in Dialog tritt, wird merken, dass die Serie nicht nur für ihre Zeit spricht, sondern uns auch viel über unsere Zeit, mehr als zehn Jahre nach Serienstart, erzählt.
Dann gibt es wiederum Situationen innerhalb der Serie und im echten Leben der Autor:innen und Darsteller:innen, auf die sich unser Blick als Gesellschaft mindestens verändert, in Teilen auch geschärft hat.
Die Kunst lebt, kann und muss sogar ständig neu bewertet werden. Das fasziniert mich immer und immer wieder.
Zudem war Dunham auf gewisse Weise ihrer Zeit voraus: „Girls“ ist eine der ersten Serien, die Frauen, die als eher unsympathisch dargestellt werden, in den Fokus nimmt. Das war auch immer eine gängige Beschwerde über die Serie: Man würde die Charaktere nicht mögen. Aber die Sehgewohnheiten haben sich verändert, inzwischen stehen unliebsame Frauen öfter im Zentrum von Filmen und Serien. Hinzu kommt, dass sich Dunham in „Girls“ als nicht normschöne Frau häufig nackt zeigte. Was in den frühen 2010er Jahren teilweise für Empörung sorgte, lässt sich heute als Female Empowerment interpretieren.
