Ein bemerkenswert vielschichtiges Porträt von Zerrissenheit, das Chantal Akerman hier zeichnet.
Es ist einerseits die Zerrissenheit durch die gesellschaftlich konstruierte und erwartete Rolle der Frau. Du bist zu alt, musst endlich sesshaft werden, eher gestern als morgen heiraten, viele Kinder kriegen und den Haushalt schmeißen – und dir dabei natürlich deine jugendliche Dynamik und Spontanität bewahren.
Andererseits ist da ihre vom gesellschaftlichen Kontext losgelöste, innere Zerrissenheit. Anna ist eine Frau, die unter gar keinen Umständen dem Stillstand verfallen will. Denn der Stillstand, das Feststecken bedeutet den Tod. Wenn sie zu lange an einem Ort bleibt, zieht sich die Schlinge der Dunkelheit um sie immer enger zusammen. Also ist sie auf der Flucht. Auf der Flucht vor der Enge. Auf der Flucht vor denjenigen, die sie festketten und in eine Schublade stecken wollen.
Wer jedoch ausschließlich damit beschäftigt ist, nach dem nächsten Fluchtweg zu spähen, der verliert sich irgendwann zwingend selbst aus dem Blick. Anne weiß deshalb zwar ganz genau, was sie nicht will, aber eben nicht, was sie sich für sich selbst wünscht.
Geschuldet sind diese Umstände dem einfachen Umstand, eine Frau in einer Männerwelt zu sein.
★★★★☆
Der Film steht noch bis zum 23. April 2025 in der Arte-Mediathek:
