Gesehen: Dìdi (弟弟) (2024)
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Skatepunk und der stoisch in sich gekehrte und oft auch gefangene Izaac Wang haben mich gepackt. Das hat mich letztlich auch über die sehr konventionell durcherzählte Geschichte, bei der wirklich selten mehr als Dienst nach den Vorschriften eines vermeintlich an seine strukturellen und ästhetischen Grenzen stoßenden Genres verrichtet wird. Sean Wang macht das tatsächlich sehr gut, aber eben nicht sonderlich mutig, ohne jegliches Wagnis.
Die einzige Chance, von den bereits ausgetretenen Pfaden abzuweichen, scheint die Rolle des Internets im Leben des Protagonisten. „One of the best, most seamless films I've seen on the experience of growing up online", schreibt Adrian Horton in ihrer Kritik für den Guardian. Der Verleih ist sich dieses Urteils so sicher, dass das Zitat auch den Filmtrailer schmückt. Doch zu sehen – und viel wichtiger: zu spüren – ist davon im Film nur wenig. Myspace, das alte Youtube-Interface, das frühe Facebook und der furchtbare AOL Instant Messenger – all das ist in der hier zu sehenden Form lediglich Zeitkolorit und erzählt nur extrem selten etwas über das Leben dieser Jugendlichen.
Vielleicht bin ich auch einfach von Jane Schoenbruns Filmen verwöhnt, die das Netz als Lebensraum und als möglichen erweiterten Teil des eigenen Bewusstseins begreift. Dass man in DÌDI auf Youtube Kusstutorials findet und diese auch vom jugendlichen Protagonisten genutzt werden, ist das inszenatorische Äquivalent zum Blick in die gedruckte Ausgabe des Brockhaus.
Der eigentliche Star dieses Films ist jedoch die von Joan Chen gespielte Mutter des Protagonisten, die einfach hinreißend spielt und viele – kleine wie große – herzliche und herzzerreißende Momente schafft. Wie sie ihren Sohn trotz – oder wegen – allem einfach nur voller Liebe anschauen kann. Wie sie von ihrem Sohn gefragt wird, ob sie sich für ihn schäme und sie in ihrer in chinesisch formulierten Antwort auf das englische „ashamed" zurückgreifen muss – als ob sie in der Sprache ihres Herzens gar keine Vokabel für „schämen" und schon gar nicht im Kontext der Beziehung zu ihrem Sohn hat. Wie kann einem da nicht das Herz aufgehen?
★★★½☆
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