Gesehen: Stau – Jetzt geht’s los (1992)
Was für ein bemerkenswertes Zeitdokument, das besonders aus heutiger Sicht den Stillstand festhält. Denn was in diesem Dokumentarfilm hervorsteht, ist die absolute Tatenlosigkeit, mit der selbst das direkte Umfeld diesen sich zunehmend radikalisierenden jungen Menschen gegenübersteht.
Wir können jetzt lange über „Haha, schau mal, die dummen Nazis!" lachen. Aber es ist ehrlich erschreckend, wie diese jungen Menschen kaum artikulieren können, was in ihnen vorgeht und was ihre Wünsche sind. Also im wahrsten Wortsinne. Ihnen fehlt tatsächlich das Sprachvermögen. Und deshalb hört auch niemand zu. Sie glauben, ihrem Frust nur durch die Mittel der Radikalisierung Ausdruck verleihen zu können, weil die Worte fehlen.
Doch auch die Nazis hören einander nicht zu – es sei denn, es geht um Naziparolen. Und dann sitzt man da, mit keinen 18 Jahren, in Bomberjacke und Springerstiefeln vor der Platte, ist arbeitslos und erzählt plötzlich unverblümt von Symptomen und Verhaltensmustern, die im Lehrbuch unter dem Stichwort „Depression" zu finden sind. Und niemand hört zu.
Niemand hört oder schaut hin, während die Nazis jugendliche Rückzugsorte für sich beanspruchen und auf der Tanzfläche „Sieg Heil!" grölen. Selbst die, die das ablehnen, bleiben im Raum und trinken ihr Bier einfach in einer anderen Ecke des Raums weiter.
So viele Szenen haben offenkundig in ihrer Gültigkeit die Zeit überdauert.
Der Film steht bis zum 31. Januar 2028 kostenlos in der Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung: