Gesehen: Je, tu, il, elle (1974)
Absurderweise musste ich nahezu den ganzen Film lang über das Defragmentieren von Festplatten nachdenken. Selbst, wenn man stets um Ordnung bemüht war, sind die unter den Teppich gekehrten Datenreste irgendwann hervorgequollen. Und dann musste man eben den langwierigen Aufräumprozess hinter sich bringen.
So ergeht es auch der von Chantal Akerman selbst gespielten Julie, deren Inneres der winzigen Erdgeschosswohnung gleicht, in die sie sich nach dem Ende ihrer Beziehung zurückzieht. Egal, wo sie sich befindet, die Wände sind immer ein bisschen zu nah, die Möbel immer irgendwie störend im Weg.
Also schafft sich Julie Platz – im Raum und um ihre Gedanken nach und nach wieder ordnen zu können. Irgendwann scheint sich das Chaos zu lichten, die Festplatte läuft wieder rund und ein Gefühl der Erneuerung greift um sich. Aber der Schein trügt. Auf das Defragmentieren folgt in der Regel ein Ringen, das unweigerlich zurückkehrende Chaos so lange wie möglich im Zaum zu halten.
Grandios war der Moment, in dem sich Julie nach langer Zeit wieder sieht, einen großen Schritt näher zu sich geht – und zwar splitternackt vor der Glastür ihrer Wohnung. Draußen ist es dunkel, im Raum brennt Licht. Julie sieht nur ihr eigenes Spiegelbild, auf der anderen Seite ist die finstere Welt. Dass vorbeigehende Menschen sie sehen können, scheint ihr egal zu sein. Sie hat ein Stück von sich wiedergefunden und kann sich wieder wertschätzen – ganz unabhängig von den Blicken und Urteilen anderer.
★★★★☆
Steht noch bis zum 24. April 2025 in der Arte-Mediathek: