Gesehen: My First Film (2024)
Was dieser Film ziemlich gut beherrscht, ist eine durchgängig unangenehme Stimmung zu halten – und zwar letztlich nicht unbedingt nur durch das Geschehen, sondern alleine durch die zeitliche Einordnung. Diese Figuren, allesamt ältere Millennials, wurden gerade erwachsen, als 9/11 passierte. Schickten sich an, endlich die Zügel ihres Lebens in die Hand zu nehmen, als die Weltwirtschaft vor die Wand fuhr. Wie ist das, wenn man live im Fernsehen dabei zusieht, wie 3.000 Menschen sterben und danach die Welt immer und immer enger wird? Wie damit umgehen, ohne komplett dem Nihilismus zu verfallen?
Auch gefallen hat mir, dass mir der Film wieder mehr ins Bewusstsein gerückt hat, dass nicht nur das Ergebnis die Kunst ist. Mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar den größten Anteil hat doch der eigentliche Prozess, sein Innerstes nach außen zu kehren. Und wenn dabei dann auch noch ein gutes Kunstwerk rumkommt, ist das ein cooles Addon, aber eben längst nicht alles. Es fällt mir schwer, das immer und immer wieder beim Durchdringen von Kunstwerken in Erinnerung zu rufen. Denn letztlich lässt sich ein Werk meistens nur für sich stehend betrachten und der Schaffensprozess bleibt weitestgehend im Dunkeln.
Hier drängt außerdem schon die digitale Welt mit ins Bild. Sämtliche Kunst und Kultur jederzeit nur einen Klick, einen Fingerwisch entfernt in der Hosentasche zu haben, ist Fluch und Segen zugleich. Wie seinen eigenen Weg finden, seine eigene Geschichte mit seinen eigenen Mitteln erzählen, wenn auf Youtube zu sehen ist, wie vermeintlich insignifikant die eigene Idee ist und wie andere genau diese Idee schon in unzählbar vielen Varianten versucht haben umzusetzen?
Sehr berührt hat mich, wie Zia Anger hier mit ihrem realen und fiktionalisierten jüngeren Ich in Dialog tritt, stets warm und wohlwollend, niemals resigniert, immer verzeihend und ermutigend.
Was mich jedoch beim Schauen nicht losgelassen hat, ist der Eindruck, dass diesem Film (und vielen vergleichbaren Stoffen, vor allem von Männern) ein Hauch von Anmaßung anhaftet. Denn vor der Verspielfilmung gab es bereits eine Version des Stoffes. Dieses Innere wurde bereits nach außen gekehrt. Und daran ändert auch ein Distribution-Deal nichts. Aber vielleicht ist tatsächlich was dran, als Zia Anger in ihrem eigenen Film Jean Renoir heranzieht, der einst „A director makes only one movie in his life. Then he breaks it up and makes it again“ sagte.
★★★☆☆