Gesehen: Le Règne animal (2023)
Wenn ich dem Film eins lassen muss, dann wie er Genre umarmt. Auch wie er drängende Themen unserer Zeit zueinander in Beziehung setzt, ist durchaus erfrischend.
Die Lebensräume von Mensch und Tier rücken immer näher aneinander, überschneiden sich immer öfter direkt. Und das stellt nicht nur den Fortbestand der vermeintlich schwächeren Tiere, sondern auch den der Menschen mit dem Selbstbild als Krone der Schöpfung und Spitze der Nahrungskette infrage. Stichwort Covid-19 und andere Zoonosen. Außerdem wirft diese Anordnung auch Licht auf xenophobes Gehabe, auf rassistische Selbstüberhöhung und Ausgrenzung alles Fremden.
Dazu durchdringt der Film, welche Rolle die Klimakatastrophe innerhalb dieses Gefüges spielt. Hier ist es ein Extremwetterereignis, das die Geschehnisse ins Rollen bringt. Übersetzt auf unsere Realität ist es genau die Zunahme dieser Ereignisse, die zu immer größeren Fluchtbewegungen führen wird. Und wie die westlichen Gesellschaften des globalen Nordens mit Geflüchteten umgehen, sehen wir jeden Tag in den Nachrichten. Spoiler: Die Unterbringung der „Fremden“ in Lagern und Massenunterkünften, möglichst abgeschirmt vom Rest der Gesellschaft, löst die Spannung sowas von überhaupt nicht.
Was mich jedoch immer und auch hier ziemlich irritiert: In der Realität des Films finden die gleichen Diskussionen über den Umgang mit fremden Menschen statt, wie in unserer Welt. Aber niemand führt in der Filmwelt den Vergleich an, den ich und anderer hier schon die ganze Zeit ziehen. Bei aller filmischer Metaphorik, die auch ich immer wieder gerne beschwöre, ist mir das zu viel Tänzelei um den heißen Brei herum. Wir sehen bei diesem Film doch keine Utopie, in der die Menschen vorher in völliger Harmonie zusammengelebt haben, sondern eine Gesellschaft, in der die Xenophobie schon immer auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Also warum das nicht auch klar benennen?
Außerdem gewünscht hätte ich mir ein bisschen mehr Mut zur ästhetischen Radikalität. Oft habe ich an Lisa Brühlmanns BLUE MY MIND (2017), Neill Blomkamps DISTRICT 9 (2009) oder so ziemlich alles von David Cronenberg denken müssen, da dort Body Horror nicht bloß Schockmomente erzeugt, sondern auch immer im Dienste der Aussage steht. LE RÈGNE ANIMAL war mir da letztlich noch zu weichgespült.
★★★☆☆