Gesehen: High & Low – John Galliano (2023)

Gesehen: High & Low – John Galliano (2023)
(c) Mubi

Ich bin wirklich stocksauer über diesen Film und auf mich selbst, es vorher nicht besser gewusst zu haben. Denn HIGH & LOW ist eine Produktion von Condé Nast Entertainment (CNE), dem Studioarm des Megaverlags, zu dem unter anderem die Vogue gehört, an deren Spitze wiederum Anna Wintour steht, die ebenfalls noch „Artistic Director and Global Chief Content Officer“ von Condé Nast ist. Ob das CNE-Logo schon zu Beginn der von mir gesichteten Mubi-Fassung auftaucht, erinnere ich ad hoc nicht mehr. Ausgeschrieben steht es jedenfalls erst in den Credits.

Und bis dahin dachte ich mir noch: „Eigentlich ganz clever, wie elegant Kevin Macdonald immer wieder auch eine Geschichte von einem klaren Versagen der Medien impliziert.“ Doch letztlich entpuppt sich alles als Papiertiger, vor dessen Augen sich die journalistische und geschäftliche Führungsetage von Condé Nast einmal kollektiv die Hände genüsslich in Unschuld waschen darf. Wenn Anna Wintour, wohl mächtigste Modejournalistin auf dem Planeten, offen in eine Kamera sagen kann, dass man John Galliano aufgrund seines Talents selbstverständlich helfe wo man nur kann und ihre „journalistische“ Karriere damit nicht sofort vorbei ist, dann macht man vieles, nur eben kein Journalismus.

Statt den journalistischen Finger immer und immer wieder in die weit klaffenden Wunden der Branche zu legen, den Geniekult infrage zu stellen, Arbeitsbedingungen zu hinterfragen usw. usf., spielt man das Spiel viel lieber selbst mit. Irgendwas war da doch mit dem Beißen von Händen, die einen füttern…

Und es ist zum Kotzen, dass sich Kevin Macdonald so offensichtlich vor den Karren spannen lässt. Zugegeben, er ist nicht unbedingt für gute Spielfilme bekannt. Aber hier ist klar zu erkennen, dass er etwas über diese Welt zu sagen hat. Denn wie er vermittelt, wie Modedesign als Kunst zu verstehen ist und dass die komischen Kleider auf dem Laufsteg eben Teil einer Choreografie, eines großen Gesamtwerkes, das über den bloßen Stoff hinausragt, sind und es eben nicht darum geht, was am Ende bei H&M auf der Stange hängt, das hat mir wirklich gefallen.

Hingegen völlig unangebracht schienen mir die permanenten und völlig unpassenden Napoleon-Parallelen, die der Film zu Galliano zieht. Napoleon war einerseits blutrünstiger Kriegstreiber und legte andererseits Fundamente, auf denen heute immer noch große Teile unserer Gesellschaft fußen bzw. daraus hervorgegangen sind. In dieser Zwietracht steckt viel Tragik und dieses Muster lässt sich auch bei Galliano erkennen. Aber um es eiskalt herunterzubrechen: Napoleon hat Millionen von Toten zu verantworten und Gesellschaft umgestaltet. Galliano hat Kunst gemacht, mit der ein kleiner elitärer Kreis auf Kosten ausgebeuteter Arbeiter*innen Millionen und Milliarden gescheffelt hat. Das Bild hinkt also ziemlich sehr…

FR/GB/US, R: Kevin Macdonald, Trailer, Wikipedia
High & Low: John Galliano - Stream: Jetzt online anschauen
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