Gesehen: Beginning (2020)
Das ist ein Film, der es sich und erst recht nicht seinem Publikum leicht macht. Das ausschließlich als bloße Kritik an den Zeugen Jehovas zu lesen, ist viel zu kurz gegriffen. Vielmehr kreist der Film um verschiedene, parallel zueinander existierende autoritäre bzw. repressive Machtsysteme herum, die irgendwie jede Faser der Zivilisation und des Menschen zu durchdringen scheinen.
Wo hat all das angefangen – im institutionalisierten Glauben, mit dem Patriarchat, durch politische Polarisierung oder im eigenen Elternhaus? Die Antwort ist wahrscheinlich ja zu allem. Vielleicht sind das aber auch gar nicht die Fragen, die wir uns stellen sollten. Vielleicht ist es viel drängender, erstmal einen Weg aus dieser Misere heraus zu finden. Die Schuldfrage wird erst vor Gericht wieder interessant. Bis es jedoch dazu kommen kann, muss das Kind erstmal aus dem Brunnen herausgeholt und dafür Sorge getragen werden, dass niemand aus Versehen hineinfallen und gar gestoßen werden kann.
Mit einer unglaublich selbstbewussten Ruhe lässt uns der Film teilweise minutenlang komplett alleine – mit diesen Fragen und mit unseren Gedanken dazu. Ich habe mich selbst dabei ertappt, wie ich verzweifelt versucht habe, Punkte der Orientierung zu finden und mich an ihnen festzuklammern. Aber diese Erlösung bietet der Film nicht, sondern lässt so lange in ambivalenten Gefühlen baden, bis der kritische Blick auch nach innen gerichtet wird.
BEGINNING ist unbequem im allerbesten Sinne.
★★★★☆