Kinotagebuch: The Zone of Interest (2023)

Hedwig Höß schreit ihren Mann an, der als Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz abgezogen und zurück nach Deutschland beordert werden soll, wie er sich das denn vorstelle, warum das denn sein müsse. Immerhin habe man alles was sie brauchen direkt für der Tür. Hedwig spricht von ihrem üppigen Gemüsegarten, der Film meint jedoch die in den Krematorien unaufhörlich lodernden Flammen.
Dieser Moment ist das eindrückliche Kondensat dessen, wonach der Film strebt. THE ZONE OF INTEREST entwickelt seine Wucht nämlich vor allem durch die Erzählung der – und das hätte ich nicht erwartet – ökonomischen Dimension. Denn die Familie Höß lebt nicht in Saus und Braus, weil Rudolf am Ende eines jeden Quartals dicke SS-Boni einfährt. Der edle Pelzmantel, der schöne Lippenstift, die schicken Kleider, der reichhaltige Garten und die ekelhafte Selbstverständlichkeit, mit der sich diese Güter scheinbar aus dem Nichts heraus im Haus materialisieren – das lässt einem Schauer über Schauer den Rücken herunterlaufen.
Es geht nicht darum, die Familie Höß als blutrünstige Judenhasser*innen zu inszenieren. Es geht zuvörderst auch nicht darum, die Banalität des Bösen im Hannah Arendtschen Sinne in Szene zu setzen. Es geht um den perversen Umstand, dass eine Gruppe Menschen die Existenz einer anderen ignorieren kann – und zwar so kühl berechnend, dass deren darauffolgende Vernichtung maximal noch als bürokratischer Akt wahrgenommen wird.
Das brillante Sounddesign mit einem permanenten, immer schwerer drückenden Dröhnen über der vermeintlichen Familienidylle sorgt wiederum dafür, sich nicht schon während des Films in die Abstraktionsebene retten zu können. Es gleicht einem Tinnitus, der zunächst wahrgenommen, aber noch vergleichsweise gut ignoriert werden kann, sich schließlich aber doch durch jeden Verdrängungsmechanismus frisst und dein Leben zur Hölle macht.
★★★★½
