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Feuilleton & Firlefanz

Posts on page 10

„Witwenschütteln am Sonntag"

Mats Schönauer über die problematischen Methoden und verquere Fehlerkultur bei „Bild". Nicht viel Neues, trotzdem wichtig.

„Witwenschütteln am Sonntag"
Foto: Nick Fewings / Unsplash

Wahrscheinlich bin ich der letzte Mensch im Netz, der dieses Video teilt. Aber ich bin eben erst jetzt dazu gekommen, mir das anzuschauen.

Mats Schönauer vom Topfvollgold arbeitet an den zahlreichen problematischen Inhalten ab, die unter der derzeitigen Bild-Chefredakteurin Marion Horn publiziert wird. Der Videotitel: „So skrupellos ist die neue BILD-Chefin". Schönauer greift also selbst in die Werkzeugkiste des Boulevards, in der unter anderem diese Art der Personalisierung zu finden ist – also jedenfalls in der Aufmachung, um vom Youtube-Algorithmus nicht komplett ignoriert zu werden, würde ich sagen.

Dann wiederum erklärt Schönauer gewohnt ruhig, akribisch und präzise, wie manche Mitarbeiter*

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Gesehen: L’Argent (1983) - Symptombekämpfung

So finster und abgründig dieser Film unter anderem dadurch wirkt, so groß ist dann wiederum doch das Grundvertrauen, das hier den Menschen entgegengebracht wird.

Gesehen: L’Argent (1983) - Symptombekämpfung
Foto: Marion’s Films, Eôs Films, France 3 Cinéma, LaCinetek

Geld an sich ist ja durchaus paradox. Der von uns ihm zugeschriebene Wert ist rein virtuell und steht in der Regel in krassem Widerspruch zum tatsächlichen Materialwert. Genau dieser Widerspruch produziert ein total interessantes Spannungsfeld. Denn wie kann etwas materiell so Wertloses eine derart große Macht über uns haben bzw. zum Hebel der Mächtigen werden?

Das Kapital – bei Bresson sozusagen auch wortwörtlich – hält ein System der Ungerechtigkeit, in dem Armut bestraft wird, aufrecht. Die Reichen und damit die Mächtigen werden nicht von Staat und einem Großteil der Gesellschaft zur Rechenschaft gezogen. Bekämpft werden lediglich die Symptome dieses Unrechtssystems und dieser

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Gesehen: Vice is Broke (2024) - David Carr fehlt

Bankrott ist nicht nur „Vice", sondern in diesem Film auch Haltung und journalistisches Handwerkszeug.

Gesehen: Vice is Broke (2024) - David Carr fehlt
Foto: Mubi

Es gibt mitten in diesem Film ein paar kurze Archiv-Ausschnitte, in denen David Carr beim Interview mit Shane Smith und ein paar anderen Vice-Head-Honchos zu sehen ist. David Carr fehlt als scharfe Feder im Medienjournalismus und Handwerk vor allem diesem Dokumentarfilm.

Denn Eddie Huang fehlt ganz offensichtlich das notwendige Handwerkszeug, die Geschichte von Vice und den Gestalten dahinter über die eigenen Befindlichkeiten hinaus aufzuarbeiten. Die Ironie der Geschichte ist also: VICE IS BROKE scheitert genau daran, womit auch Teile von Vice permanent zu kämpfen hatten – fachliches Unvermögen und überzogene Personalisierung.

Er lässt vor allem alte Weggefährt*innen und Vice

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Gesehen: Diary of a Country Priest (1951) - Gegen die Verzweiflung anschreiben

Irgendwann spuckt jede*r Blut...

Gesehen: Diary of a Country Priest (1951) - Gegen die Verzweiflung anschreiben
Foto: Union Générale Cinématographique

Es steckt unheimlich viel in der Anordnung der Geschichte, aber am eindrücklichsten sticht für mich hervor, wie das Machtkonstrukt Kirche unter dem Gewicht der eigenen Lügen und Ansprüche zusammenbricht.

Es geht gar nicht so sehr um den Glauben, sondern um das institutionalisierte System dahinter, das den Verlust der eigenen Macht zu spüren bekommt. Denn einen verunsicherten Priester ins hinterletzte Kaff zu schicken, in dem die Menschen inklusive sich selbst an gar nichts mehr glauben, ist an Verzweiflung kaum zu überbieten.

Der Priester bekommt dort an eigenem Leib und eigener Seele zu spüren, dass die Welt, an deren Aufbau er bisher

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Jules Vernes 1870er Ausgabe von „Von der Erde zum Mond" ist wunderschön illustriert

Wunderschön und wunderschön unheimlich.

Jules Vernes 1870er Ausgabe von „Von der Erde zum Mond" ist wunderschön illustriert

Die Kolleg:innen drüben beim Public Domain Review haben wieder einmal absolute Illustrationsperlen zusammengesucht – dieses mal aus den Federn von Émile-Antoine Bayard und Alphonse de Neuville für die 1870er Fassung von Jules Vernes Von der Erde zum Mond.

Für mich kommt da so viel zusammen: etwas kosmischer Horror, ein Hauch von Megastructure-Unbehagen, die Bedrohung im Ungewissen und gleichzeitig ein mutiger Aufbruchs ins Unbekannte.

Émile-Antoine Bayard’s Illustrations for Around the Moon by Jules Verne (1870)
Arguably the very first images to depict space travel on a scientific basis, these wonderful illustrations are the work of the French illustrator Émile-Antoine Bayard.
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Gesehen: The Devil, Probably (1977) - Bressonsche Hyperrealität

Mark Fisher und Anton Jäger hätten ihre helle Freude gehabt...

Gesehen: The Devil, Probably (1977) - Bressonsche Hyperrealität
Foto: UCM.One

Mark Fisher und Anton Jäger hätten wahrscheinlich ihre helle Freude mit diesem Film gehabt – oder hatten sie angesichts des Erscheinungsjahres vielleicht sogar.

Es ist jedenfalls richtig unangenehm im allerproduktivsten Sinne, der Konstruktion dieser bressonschen Hyperrealität beizuwohnen. Zuzuschauen, wie sämtliche Zwischentöne, jegliche Graustufen Stück für Stück einem dichotomen Weltbild weichen.

Wenn alles vergeblich und egal ist, nichts mehr erstrebenswert scheint, dann macht sich einfach finsterster Nihilismus breit, der einem Menschen jeglichen Raum für Empathie raubt. Existenzen verpuffen im hyperpolitischen Nichts.

★★★½☆

🇫🇷, R: Robert Bresson, D: Antoine Monnier, Tina Irissari, Henri de Maublanc, Laetitia Carcano, Nicolas Deguy, Régis Hanrion, Geoffroy Gaussen, Roger Honorat,
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