Ich vertrete dann wohl das, was man eine Mindermeinung nennt. Natürlich lässt sich das rein als tonnenschwere AIDS- und auch als Corona-Metapher begreifen. Das war auch zuerst mein Zugang. Aber irgendwann habe ich unterbewusst begonnen, das Geschehen viel mehr erst mal als das zu begreifen, was es ist.

Es geht um Menschen, die aufgrund ihrer konkreten, vermuteten oder behaupteten Andersartigkeit markiert, stigmatisiert und ausgegrenzt werden – also um eine gewissermaßen universelle Erfahrung, um universelle Ängste. Das rekurriert wiederum stark auf die bisher in der Filmografie Julia Ducournaus zentralen Themen.

Es geht um ein Kind, das sein ganzes bisheriges Leben lang kein wirkliches Sicherheitsgefühl erfahren hat, dem kein Raum für Verletzlichkeit eingeräumt wird. Und im Verlauf des Films wird klar: Das hat Familientradition.

Ein Verlust ist etwas, das vergessen und nicht verarbeitet werden muss. Da lassen sich dann wieder produktivere Bezüge zu AIDS-Epidemie und Corona-Pandemie herstellen. Es gab Millionen von Toten, aber – jedenfalls bei Corona – keinen Raum für die Würdigung dieser Verluste, ob der blind-eifrigen Rückkehr zu „Normalität" keine Möglichkeit der angemessenen (gesamtgesellschaftlichen) Trauer.

Eine Welt voller unverarbeiteter, ignorierter und unterdrückter Traumata, in die wir unsere Kinder entlassen...

★★★★☆

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