Gesehen: Watcher (2022) - Demontierte Autonomie
FilmkritikDer wahre Horror liegt in der glaubhaften Abstreitbarkeit begraben
Was passiert hinter den Türen zu den Wohnungen der anderen, im Verborgenen? Gewalt gegen Frauen, die so perfide orchestriert ist, dass den eigentlichen Akt praktisch niemand sehen kann und immer glaubhafte Abstreitbarkeit gewährleistet ist. Wer Verdacht schöpft oder als Opfer nach Hilfe ruft, kann kurzerhand als verrückt erklärt werden.
WATCHER lässt auch uns irgendwann an unserer Wahrnehmung und unseren Verdächten zweifeln und lässt so, genau wie für seine Protagonistin, eine immer intensivere Paranoia aufziehen.
Lange, bevor der Film seine physische Dimension entfaltet, bekommen wir bereits das breite Instrumentarium psychischer Gewalt vorgeführt. Die Protagonistin wird durch ihr sprachliches Unvermögen ausgegrenzt und isoliert. Nicht mehr sie selbst, sondern ihr Gegenüber, sogar ihr Partner entscheidet darüber, was für ihre Ohren wichtig ist und was nicht. Die Autonomie der Protagonistin wird Stück für Stück demontiert.
Der letzte im Film geworfene Blick gilt nicht der Kamera, sondern uns. Es ist eine Aufforderung, hinzuschauen, den Blick zu erwidern, solidarisch zu sein.
★★★½☆
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