Gesehen: Favoriten (2024) – Mittendrin als Fliege an der Wand
FilmkritikAuf Ruth Beckermann ist einach Verlass...
Auf Ruth Beckermann ist einfach Verlass. Sie schafft es, mit ihrer Kamera die Anmutung einer Fliege an der Wand zu erzeugen, während sie eigentlich mittendrin steht, sogar oft direkt adressiert wird. Doch je länger sie bei den Kindern ist, desto natürlicher fügt sie sich in das Klassengefüge ein, desto wahrhaftiger werden die eingefangenen Momente.
Dass das jedoch nicht immer klappen kann, wenn es aber klappen muss, ist Beckermann sehr offensichtlich bewusst – und darauf ist Beckermann vorbereitet. Indem sie den Kindern eigene Handys zum Filmen von eigenen Szenen in die Hände drückt, kann sie in entscheidenden Momenten dabei sein, ohne dabei zu sein. Also genau genommen geht es nur um einen einzigen Moment – und der sitzt aber perfekt und dafür hat sich dieser Handykniff insgesamt gelohnt.
So schafft es der Film, die absoluten Unmöglichkeiten des Schulbetriebs einzufangen. Wie Schule und Lehrer*innen nicht nur Wissen vermitteln und teilweise Erziehungsaufgaben übernehmen, sondern in Teilen auch Ersatzelternfiguren, Therapeut*innen und Freund*innen sind – ob sie das nun müssen/wollen oder nicht, es passiert unweigerlich, denn das System™ funktioniert einfach nicht bzw. ist heillos überlastet.
Über die Art von Beziehung, die die jeweiligen Kinder zu ihrer Klassenlehrerin haben, lässt sich enorm viel über die Komplexität einer Einwanderungsgesellschaft und die Abgründe einer sogenannten Leistungsgesellschaft herauslesen – mal, weil es die Kinder offen aussprechen, mal, weil es gar keiner Worte, sondern nur Blicken bedarf.
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