Zwei Menschen kommen nicht mehr klar – mit der Welt, den anderen Menschen, der Gesellschaft, Paris und sich selbst. Zu tief sitzen Kränkungen, Verletzungen, Scham, Schuld und Angst. Doch all das lässt sich auf der Brücke, die während Bauarbeiten für Mensch und Verkehr gesperrt ist, ausblenden – inklusive sich selbst durch Fusel und Schlafmittel.

Die Tragik des Films besteht darin, dass es trotzdem kein Entkommen gibt. Die Welt mit all ihren Zwängen und Bedrohungen drängt immer wieder hinein in die scheinbare Abgeschiedenheit der Brücke. Eine Flucht vor sich selbst ist unmöglich, egal, wie sehr und mit welchen Mitteln man es versucht.

Da verschweigt der Protagonist seiner langsam erblindenden Liebe eine möglicherweise augenlichtrettende Operation. Denn wenn sie wieder „normal" sehen könnte, würde sie ja vielleicht erkennen, dass dieses Leben auf der Brücke niemals mehr als eine Flucht sein kann.

Es ist eine außergewöhnliche Liebe, die Leos Carax hier inszeniert – eine mit unendlich vielen kleinen und auch unkonventionellen Gesten. Es ist etwa sowohl skurril als auch wunderschön, wie er sie in ihrer ersten Nacht auf der Brücke auf seinem Platz schlafen lässt und für sie die Sicherung der Brückenbeleuchtung herausschraubt, damit sie nicht vom Licht wachgehalten wird.

Doch die Realität holt jeden Traum ein. Dennoch wird den beiden immer die Brücke bleiben – nicht als tatsächlicher Ort, denn nach Abschluss der Bauarbeiten wird auch der wieder von Paris und den Menschen übernommen, sondern als innerer Zufluchtsort.

★★★★½

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