Kinotagebuch: One Battle After Another (2025) - Routiniertes Chaos in Vistavision

Paul Thomas Anderson hat erneut eine große amerikanische Geschichte eingefangen. Ungewohnt ist, dass diese Geschichte noch kein Ende kennt.

Kinotagebuch: One Battle After Another (2025) - Routiniertes Chaos in Vistavision
Foto: Warner Bros. Entertainment

Diese teilweise uramerikanischen Motive von den Muscle-Cars auf den unendlichen, pfeilgeraden Highways durch karge Wüstenlandschaften unter der sengenden Sonne, von den in der Enge des Canyons aufeinandertreffenden wortkargen Revolverhelden mit den politischen Gegebenheiten unserer Zeit aufzuladen und das in Vistavision mit haufenweise eleganten wie verführerischen Tracking-Shots zusammenzubinden, geht einfach total gut auf.

Die Satire mag sehr laut sein, aber das verkommt nie gänzlich zum Selbstzweck, sondern bietet gleichermaßen ein gutes Fahrwasser für filigranere Konstruktionen, über die wiederum tatsächliche politische Machtverhältnisse subtiler kommentiert werden.

Ein Beispiel: Haha, die linken Aktivistenspinner wie Leonardo DiCaprios Figur graben Fluchttunnel quer durch den Wald und kommen am Ende wortwörtlich unter einer vergammelten Campingplatztoilette heraus. Dann wesentlich später im Film: Wir sind wieder unter der Erde, dieses Mal aber in einem regelrecht palastartigen Untergrundkomplex der White Supremacists.

Über Anordnungen wie diese wird herausgearbeitet: Hier herrscht keine Waffengleichheit und die von einem „linken Mainstream" lamentierende Gruppe ist ökonomisch um ein unendlich Vielfaches besser gestellt, was wiederum in reellem politischen Einfluss resultiert.

Womit ich immer noch hadere, ist die satirische Ebene des Films, die zwar wie beschrieben durchaus einen Zweck erfüllt, aber nach meinem Dafürhalten auch eine Art Kapitulation vor der Realität ist. Denn irgendwie wird der Vorhang des Humors nie ausreichend zurückgezogen, um einmal die US-amerikanischen Zustände unironisch als das anzuerkennen, was sie sind: eher nicht zum Lachen und für marginalisierte Menschengruppen zunehmend lebensgefährlich. Wahrscheinlich hat mir wirklich das im Halse steckenbleibende Lachen gefehlt. Hier wird mehr durchgelacht – und manchmal eben genau so entrückt, wie man eben lacht, wenn man mit der Welt überfordert ist. Nur weiß ich nicht so recht, ob ich das Paul Thomas Anderson als Stilmittel zugestehen will.

Dass PTA die Sache trotzdem ernst ist, ist auf jeden Fall in der Figurenzeichnung seiner Protagonistin zu erkennen. Denn die ist wie seine eigenen vier Kinder Tochter einer Schwarzen Frau und eines weißen Mannes. Alleine dadurch schwingt jede Menge schmerzliche Überforderung, gleichzeitig aber auch klare und inspirierende Entschlossenheit mit.

Klar gefallen hat mir, wie der Film mit dem routinierten Chaos arbeitet. Wenn das Militär und die bis unter die Zähne bewaffnete Polizei in einen Stadtteil einfällt, dann passiert das mit chirurgischer Präzision. Gleichzeitig entwickelt sich die durch das Eintreffen der Einsatzkräfte aufkommende Unruhe schnell zu einem unübersichtlichen Flächenbrand – in dessen Schatten dann wiederum die streng eingeübten Gegenchoreografien der Zivilgesellschaft anlaufen. Das Chaos ist Routine ist das Chaos ist Routine.

PTA hat erneut eine große amerikanische Geschichte eingefangen. Ungewohnt ist, dass diese Geschichte noch kein Ende kennt.

★★★★☆

🇺🇸, R: Paul Thomas Anderson, D: Leonardi DiCaprio, Chase Infiniti, Sean Penn, Benicio des Toro, Regina Hall, Teyana Taylor, Trailer, Letterboxd, Wikipedia, Foto: Warner Bros. Entertainment

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One Battle After Another - Stream: Jetzt online anschauen
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Die Kritik auf Letterboxd:

A ★★★★ review of One Battle After Another (2025)
Diese teilweise uramerikanischen Motive von den Muscle-Cars auf den unendlichen, pfeilgeraden Highways durch karge Wüstenlandschaften unter der sengenden Sonne, von den in der Enge des Canyons aufeinandertreffenden wortkargen Revolverhelden mit den politischen Gegebenheiten unserer Zeit aufzuladen und das in Vistavision mit haufenweise eleganten wie verführerischen Tracking-Shots zusammenzubinden, geht einfach total gut auf. Die Satire mag sehr laut sein, aber das verkommt nie gänzlich zum Selbstzweck, sondern bietet gleichermaßen ein gutes Fahrwasser für filigranere Konstruktionen, über die wiederum tatsächliche politische Machtverhältnisse subtiler kommentiert werden. Ein Beispiel: Haha, die linken Aktivistenspinner wie Leonardo DiCaprios Figur graben Fluchttunnel quer durch den Wald und

Die Kritik als Tonspur:

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ONE BATTLE AFTER ANOTHER (2025, Paul Thomas Anderson)
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