Gesehen: Planet B (2024) - Thiels Wunschtraum
Der Horror liegt hier nicht in einer fernen Dystopie begründet, sondern darin, dass dieser Weltzustand nur einen Lidschlag entfernt scheint.

Aude Léa Rapin legt den Finger präzise in die zahlreichen offenen Wunden unserer Zeit, indem sie ausgewählte Aspekte, Phänomene und Entwicklungen gerade so weit weiterdenkt, dass sie zu jeder Zeit immer noch in Griffweite scheinen. Der Horror liegt hier nicht in einer fernen Dystopie begründet, sondern darin, dass dieser Weltzustand nur einen Lidschlag entfernt scheint.
In dieser Welt gehen Plattform- und Überwachungskapitalismus Hand in Hand mit politischer Repression. Das Schaffen von rechtsfreien und außergerichtlichen Räumen, in denen Schattenbehörden frei von Regulierung und öffentlicher Kontrolle agieren, ist natürlich längst keine ferne Zukunftsmusik mehr. Allerspätestens in der Folge des 11. Septembers 2001 mit Bezug zu den Gefangenenlagern als Teil des US-Militärstützpunktes Guantanamo Bay scheint sich sogar ein gewisser Gewöhnungseffekt eingesetzt zu haben. Heute lechzen die Innenministerien ob der undurchsichtigen Versprechen von Fascho-Thiels Palantir.
Aude Léa Rapin verknüpft ihren Film eng mit der Klimakrise und der politischen Weigerung, ihr überhaupt das bare minumum entgegen zu setzen. Die Proteste dagegen werden politisch wie von einem radikalisierten Teil der Gesellschaft delegitimiert und instrumentalisiert, um Repression zu rechtfertigen und Korruption zu verstetigen. Dass längst jegliche Verhältnismäßigkeit abhanden gekommen scheint, zeigt etwa, dass auch bei uns offen über eine „Klima-RAF" fantasiert wird und der mediale Diskurs darum so gestrickt ist, als ob das ein in der Realität verankertes Argument wäre.
Der Film spielt sich jedoch, genau wie meine Gedanken hier, viel zu sehr auf eben dieser Abstraktionsebene ab. Filmisch präsentiert, erzählt und erklärt bekommen wir kaum einen Teil dieser Welt. Anderthalb Texttafeln zu Beginn reichen jedoch nicht wirklich, um eine kohärente, vielschichtige und dadurch umfassend glaubhafte Welt zu konstruieren. Der Film ruht sich zu sehr auf seinen theoretischen Überlegungen auf Drehbuchebene aus, so produktiv auch immer die sein können.
★★★☆☆
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