Gesehen: Rabid (1977) - Blickzwänge
David Cronenberg zwingt seine Figuren, und damit uns, hinzuschauen und den Ekel zu ertragen.

RABID ist ein Film, der auch viel über unsere Gegenwart erzählt und er macht bereits in einer sehr frühen Szene klar, dass das nicht unbedingt angenehm werden wird: Eine schwerstverletzte und blutüberzogene Frau wird nach einem Unfall als Notfall in eine zufällig in der Nähe stehende Klinik für plastische Chirurgie eingeliefert. Ein anderer Patient beobachtet die Szenerie und beschwert sich dann bei der Schwester am Empfang ob es grauseligen Anblicks, ob man die Verletzte nicht wenigstens mit etwas hätte überdecken können. Cronenberg lässt das nicht zu. Er zwingt seine Figuren, und damit uns, hinzuschauen und den Ekel zu ertragen.
Der Ekel findet sich natürlich auf der Oberfläche, in den drastischen, klar in den Body-Horror abdriftenden Bildern. Aber er ist vor allem auch darin zu erkennen, wie hier einer patriarchal organisierten Gesellschaft der Spiegel vorgehalten wird.
Cronenberg lässt die Männer von ihrer eigenen Medizin kosten, indem er ihnen eine Frau entgegensetzt, die sie reihenweise mit einem aus dem Körper fahrenden – und deshalb treffend phallisch inszenierten – Stachel umbringt. Das geht sogar so weit, dass das Kriegsrecht über die Stadt verhängt wird, um der Lage Herr zu werden.
Die Diskrepanz zu unserer Gegenwart (in Deutschland) sickert langsam durch: Fast jeden Tag bringt ein Mann eine Frau um, weil sie eine Frau ist. Die registrierten Fälle häuslicher Gewalt nehmen immer weiter zu, betroffen sind deutlich überwiegend Frauen. Gleiches passiert bei sexuellen Übergriffen und digitaler Gewalt. Aber niemand verhängt hier das sinngemäße Kriegsrecht. Es sind ja nur Frauen.
Cronenberg lässt hier bereits klar seine Faszination mit in andere Körper eindringenden Fremdkörpern spielen und verknüpft das für mich klar mit geschlechtsspezifischer Gewalt.
★★★½☆
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