Gesehen: High and Low (1963) - Kapital ersetzt Moral

Ein Mensch scheint nur ein Mensch, sofern er substanziell zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt.

Gesehen: High and Low (1963) - Kapital ersetzt Moral
Foto: Toho, Kurosawa Production

Überrascht? Nein, nicht unbedingt. Aber schwer beeindruckt und ein bisschen sprachlos bin ich schon ob dessen, wie leichtfüßig Kurosawa hier aus der feudalen „Komfortzone" mitten ins japanische Wirtschaftswunder springt und dabei nichts an messerscharfer Beobachtungsgabe hinsichtlich der Rolle des Individuums in der Gesellschaft einbüßt. Bild, Schnitt, Wort – hier sitzt einfach alles. Schuld, Sühne, Vergebung, Intrigen und Machtkämpfe machen diese Geschichte von Shakespearscher Tragweite aus.

Wo verläuft die Grenze, ab deren Übertreten das Kapital die Moral als Basis menschlichen Handelns komplett ersetzt? Kann sich der Mensch als Zahnrad im großindustriellen Getriebe seine Menschlichkeit bewahren, oder wird er eins mit der Maschine? Gibt es ein Ausbrechen aus diesem Gefüge oder bleibt der Mensch bis zum Tod dazu verdammt, seine Runden für die Profite anderer zu drehen?

Ein Leben außerhalb des Systems ist zwar weiterhin möglich, aber zu welchem Preis? Die politischen Prioritäten ergeben sich bei Kurosawa aus dem Umstand, für wen hier immense öffentliche Ressourcen aufgewendet werden und für wen eben nicht. Der Geschäftsmann darf sich freuen. Nicht nur fällt er unterm Strich ziemlich weich, auch das gesamte Polizeirevier hat sich ihm aus fehlgeleitetem Schuldgefühl zuvor gewissermaßen unterworfen. Für die völlig verarmten und in die Heroinsucht getriebenen Menschen interessiert sich jedoch niemand mehr.

Jede*r ist ihres*seines Glückes Schmied. Ein Mensch scheint nur ein Mensch, sofern er substanziell zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Die unweigerliche Konsequenz ist, dass das wirklich Gute im Menschen ausradiert wird und es nur noch um Ästhetik geht – Hauptsache, der Schein einer Moral kann aufrechterhalten werden. Wer das nicht schafft oder nicht mitspielen will, offenbart letztlich die Scheinheiligkeit der anderen und wird deshalb ausgestoßen, damit niemand mit dem Finger auf die Bigotteria zeigen kann.

★★★★½

🇯🇵, R: Akira Kurosawa, D: Toshirō Mifune, Tatsuya Nakadai, Kyōko Kagawa, Tatsuya Mihashi, Tsutomu Yamazaki, Isao Kimura, Kenjiro Ishiyama, Takeshi Katō, Yutaka Sada, Masahiko Shimizu, Takashi Shimura, Trailer, Letterboxd, Wikipedia, Foto: Toho, Kurosawa Production

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