Kinotagebuch: In die Sonne schauen (2025) - Sehen und gesehen werden

Mascha Schilinskis zum deutschen Oscarbeitrag gewordener Film ist eindrücklich inszeniert und bewegt sich bei Subtext wie Motiven in ähnlichem Fahrwasser wie etwa Céline Sciammas PORTRAIT OF A LADY ON FIRE.

Kinotagebuch: In die Sonne schauen (2025) - Sehen und gesehen werden
Foto: Neue Visionen

Ich habe die ganze Zeit so oft an Céline Sciammas PORTRAIT OF A LADY ON FIRE denken müssen – weil Mascha Schilinskis IN DIE SONNE SCHAUEN für mich nicht nur fast schon folkloristische Qualitäten hat, sondern vor allem eine Erzählung über Zeuginnenschaft und das Sehen ist.

Wer wird gesehen? Wer darf etwas sehen? Wer wird beobachtet? Wer verschränkt vor was seinen Blick? Wie bestimmen Blicke die Rollen, die wir – oder hier: diese Mädchen und Frauen – ausfüllen?

Dieses Spiel wird wirklich exzellent gespielt und auch durch eine Grenzen auslotende Kameraarbeit unterstrichen – wie durch sie Blicke geworfen, verfolgt, verfälscht, verengt und geweitet werden, ganze Szenen außerhalb des Fokus verweilen und mit einem Schlag scharfgezogen werden, begleitet von einem radikalen Sounddesign, das mit harten Kontrasten zwischen ohrenbetäubend, laut, leise und stumm arbeitet. In Momenten wird die Kamera selbst zum Schreckgespenst, das durch den Film spukt und irgendwann von den Figuren entdeckt wird. Und da die Kamera auch unser Auge ist, wird das Publikum stellenweise selbst Akteur*in, muss sich zwangsläufig zum Geschehen verhalten und kann nicht passiv danebenstehen.

Mascha Schilinski war mit dabei in der Premierenvorstellung, in der ich den Film gesehen habe. Vorab hat sie dem Publikum erklärt, was dieser Film alles nicht ist – unter anderem keiner, der zum permanenten Miträtseln einlädt, welche der Figuren der drei Zeitebenen denn nun wie miteinander verwandt sind. Und so sehr aus meiner Perspektive die Autor*in meistens tot ist, muss ich ihr hier recht geben. Die individuellen transgenerationalen Stränge sind meiner Meinung nach gar nicht so wichtig für die Erzählung. Es geht hier viel mehr um kollektive Erfahrungen von Frauen, die selbstverständlich durch die Generationen getragen werden, aber eben allgemeingültigere Qualitäten haben.

V.r.n.l.: Regisseurin Mascha Schilinski, ihre Co-Autorin Louise Peter, Produzent Lucas Schmidt, die Darsteller*innen Laeni Geiseler, Konstantin Lindhorst, Martin Rother, [kann ich leider nicht zuordnen] und zwei Kolleg*innen vom Verleih Neue Visionen

Ein enormes Risiko ist sicherlich die absolute Dunkelheit, die Schilinski und ihre Co-Autorin Louise Peter hier auch den Kinderfiguren ihres Films zugestanden haben. Aber es geht auf. Denn diese Finsternis ist universell. Kindern fehlt vielleicht das entsprechende Vokabular und Wissen, diese Abgründe zu beschreiben, aber sie verstehen sie ganz intuitiv. Und das nehmen Schilinski und Peter ernst.

★★★★☆

🇩🇪, R: Mascha Schilinski, D: Lena Urzendowsky, Laeni Geiseler, Zoë Baier, Hanna Heckt, Lea Drinda, Luise Heyer, Greta Krämer, Filip Schnack, Helena Lüer, Anastasia Cherepakha, Susanne Wuest, Gode Benedix, Luzia Oppermann, Bärbel Schwarz, Liane Düsterhöft, Martin Rother, Florian Geißelmann, Konstantin Lindhorst, Claudia Geisler-Bading, Andreas Ankel, Ninel Geiger, Lucas Prisor, Trailer, Letterboxd, Wikipedia, Foto: Neue Visionen

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A ★★★★ review of Sound of Falling (2025)
Ich habe die ganze Zeit so oft an Céline Sciammas PORTRAIT OF A LADY ON FIRE denken müssen – weil Mascha Schilinskis IN DIE SONNE SCHAUEN für mich nicht nur fast schon folkloristische Qualitäten hat, sondern vor allem eine Erzählung über Zeuginnenschaft und das Sehen ist. Wer wird gesehen? Wer darf etwas sehen? Wer wird beobachtet? Wer verschränkt vor was seinen Blick? Wie bestimmen Blicke die Rollen, die wir – oder hier: diese Mädchen und Frauen – ausfüllen? Dieses Spiel wird wirklich exzellent gespielt und auch durch eine Grenzen auslotende Kameraarbeit unterstrichen – wie durch sie Blicke geworfen, verfolgt, verfälscht,