Gesehen: Accattone (1961) - Über das Geben und Nehmen von Arbeit

Damals™ wie heute ist es schon ein paradoxes Phänomen, dass unter anderem ökonomisch marginalisierte Gruppen auffällig oft dazu neigen, nach unten zu treten anstatt nach oben zu schlagen, an den Verhältnissen zu rütteln, Strukturen infrage zu stellen und Politik zu bewegen. Wenn es mir schlecht geht, soll es anderen auch schlecht gehen. Dass es allen besser gehen soll und auch könnte, scheint zunehmend hinter dem Wahrnehmungshorizont zu verschwinden.
Pasolini beschäftigt sich hier implizit auch mit den Begriffen der Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in, auf die durchaus auch eine „umgekehrte" Perspektive möglich ist. Denn ich als Arbeiter gebe dem Unternehmen meine Arbeitskraft. Das Unternehmen ist damit von mir abhängig und nicht ich von der Großzügigkeit anderer, für sie schuften zu dürfen. Ohne mich gibt es dein Unternehmen nicht.
Doch damit diese Perspektivverschiebung keine Schule macht, werden die Arbeiter:innen klein gehalten. Um in Pasolinis Geschichte zu bleiben: Wegen dir, Frau, die ich in tatsächliche Lebensgefahr und in die Illegalität gedrängt habe, drohen mir nun Konsequenzen. Du bist schuld an meinem Niedergang! Es geht um die Erhaltung ungerechter und ungleicher Machtverhältnisse – auch zwischen den Geschlechtern. Und an dieser Erhaltung arbeiten nicht nur die Unterdrücker, sondern auch die Unterdrückten selbst mit – Stichwort: internalisierte Misogynie.
★★★★☆


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