Gesehen: Changeling (2008) - Auch Konservatismus geht nicht ohne Feminismus
In diesem Film stecken Gedanken, die heutigen sogenannten Konservativen die Schädel platzen lassen würden.

Was mir sehr gefallen hat, ist, wie würdevoll Clint Eastwood diese Frau inszeniert. Er ist ganz nah dran bei ihr und ihrem Schmerz, wahrt aber dabei immer eine respektvolle Distanz. Sprich: Er lässt seinen Film einfach nicht ins Ausbeuterische, in einen Trauma-Porno abgleiten.
Das erreicht er durch eine verführerische Kameraarbeit. Die Kamera gleitet ganz sanft durch die Szenen und vollführt mit den Figuren fast schon einen klassischen Tanz – ganz zart, ganz vorsichtig und stets daran arbeitend, eine gemeinsame Frequenz zu finden und einen Resonanzraum zu konstruieren.
Ansonsten ist es natürlich ein Leichtes, Eastwood hier mit der Auswahl dieser Geschichte und der Inszenierung aller Beteiligten seinen Konservatismus vorzuhalten – mit der Kirche als unverrückbar moralische Instanz (lol) und einer sehr durch die patriarchale Linse betrachtete Mutterrolle.
Doch Eastwood tut da hier ohne den zur Predigt erhobenen Zeigefinger und nie belehrend, sondern immer als Appell an die Gesellschaft, den Kampf um Gerechtigkeit nie aufzugeben, das, was man heute als Law and Order bezeichnen würde, abzulehnen und für Moral und das Gute einzustehen. Denn es ist dieses Law and Order, das per se nichts mit Recht und Gesetz zu tun hat, sondern mit Macht, Herrschaft und Kontrolle derer, die dem eigenen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Standing gefährlich werden können.
Aus Sicht eines Mannes im Patriarchat geht diese Gefahr von Frauen aus. Somit ließe sich argumentieren, dass auch Konservatismus – jedenfalls einer wie der von Clint Eastwood 2008 – nicht ohne Feminismus gedacht und betrachtet werden kann. Bei diesem Gedanken würde heute vielen sogenannten Konservativen sicherlich der Schädel platzen. Eastwoods Finger liegt also in einer Wunde.
★★★½☆
Der Film steht noch bis zum 03. Mai 2025 in der Arte-Mediathek:

