Kinotagebuch: Riefenstahl (2024)
Es wirkt, als ob Leni Riefenstahl aus der Zwischenhölle heraus gegen diesen Film anargumentiert. Denn es ist wirklich eine Art Dialog mit dem Nachlass Riefenstahls, den Andres Veiel hier anstrebt. Ohne Effekthascherei und komplett in sich ruhend lässt der Film die vergangene Leni Riefenstahl immer und immer wieder voller Selbstbewusstsein auflaufen. Veiel widerlegt Stück für Stück die von Riefenstahl um sich herum gesponnene Legende.
Es mag daran liegen, dass ich am Tag vorher GOLDHAMMER gesehen habe. Aber je tiefer sich die Archiv-Riefenstahl in ihren Bau aus Widersprüchen gräbt, desto überzeugter war ich davon: Wäre die Filmemacherin in unserer Zeit aufgewachsen, wäre sie Influencerin bzw. „Content"-Creatorin. Klar, eine mit unbestreitbarem Talent und Gespür für Ästhetik wie nur wenige andere, aber dennoch.
Am Ende bleibt ein Bild von Riefenstahl als Opportunistin mit bewusst selektiver Realitätswahrnehmung, die um jeden Preis rezipiert werden will – letztlich egal womit. Das zeigt sich auch darin, dass sie immer und immer wieder Interviews gibt – wohl wissend, dass sie auf ihre Rolle im Nazi-Regime angesprochen werden wird. Aber zu groß ist die Versuchung des Rampenlichts, zu gut die Gelegenheit, sich selbst und ein ganzes Täter*innenvolk als eigentliche, unwissende Opfer zu inszenieren.
(Eine ganz besondere Form des Ekels löst das für diesen Dokumentarfilm restaurierte historische Filmmaterial aus. Hitler in makellosem 4K und auf 24 Vollbilder die Sekunde interpoliert in die Kamera lächeln zu sehen, ist eine sehr komische Erfahrung.)