Gesehen: I Saw the TV Glow (2024)
Nach WE’RE ALL GOING TO THE WORLD’S FAIR konnte ich noch nicht so richtig in Worte fassen, was mich an Jane Schoenbruns Art und Weise des Filmemachens so fasziniert. Aber hiernach war es mir plötzlich glasklar: Schoenbrun verweigert komplett der Rezeptionsgeschichte anderer Filme, Serien, Musik oder Erzählmustern. Schoenbrun kann nicht gegen den Strich bürsten, als trashig wahrgenommene Elemente ironisch einsetzen oder mit Nostalgie verklären, weil Schoenbrun nicht auf diesen Ebenen arbeitet. Schoenbrun behält sich einen wertfreien Blick auf all diese Werkzeuge und nutzt sie völlig losgelöst von den Zuschreibungen anderer. Genau deshalb wirken Schoenbruns Filme auf mich so anders und so frisch.
Ein bisschen musste ich an Xavier Dolan denken, der etwa völlig unironisch und ohne abschätzige Perspektive O-Zones Dragostea din tei oder andere als Mainstream verschriene Tracks benutzt und es einfach funktioniert.
Sicherlich kann man dem Film vorwerfen, im Gegensatz zu WE’RE ALL GOING TO THE WORLD’S FAIR etwas kantenloser und zugänglicher zu sein, dass Schoenbrun dadurch etwas an Radikalität einbüßt. Aber ich finde, dass das I SAW THE TV GLOW letztlich keinen Abbruch tut.
Viel geholfen hat auch, mir nach WORLD’S FAIR angelesen zu haben, dass Jane Schoenbrun transfeminin und nicht-binär ist. Denn diese Lebensrealität durchdringt hier den kompletten Film. Wie muss es sich anfühlen, nicht der Mensch zu sein, den andere beschreiben, wenn sie dich ansehen? Stimmt die Welt nicht oder stimme ich nicht? Was verbirgt sich wirklich unter meiner Haut? Verbirgt sich überhaupt etwas unter meiner Haut oder bin ich längst eine leere Hülle? Auf Dysphorie folgt Dissoziation, folgt was…?
★★★★½