Gesehen: White Material (2009)
Ich habe bei Weitem noch nicht alles von Claire Denis gesehen, aber es scheint mir, als ob sie selten so explizit den Kolonialismus ins Zentrum ihrer Erzählung rückt wie hier. Damit meine ich nicht, dass der Kolonialismus in ihren anderen Filmen keine gewichtige Rolle spielt – ganz im Gegenteil. Nur erschien mir oft viel mehr auf der implizierten Ebene abzulaufen. Und hier wird es uns auf dem Silbertablett präsentiert. Und das meine ich ganz wertfrei, es fiel mir nur auf.
Hier bestimmen aus einstigen kolonialen Verhältnissen gewachsene Strukturen mit eindeutig neokolonialistischen Prinzipien die Machtverhältnisse. Und es geht um das plötzliche Machtvakuum, das sich auftut, wenn die de facto Besatzungsmacht aus dem Land vertrieben wird. Es folgen politische und gesellschaftliche Instabilität, Bürgerkriege brechen aus, die Unterdrückung endet nicht, sie verschiebt sich nur.
Woran ich mich wirklich gerieben habe, sind die bildlichen Metaphern, die Claire Denis hier gewählt hat. Da gibt es den zu Beginn des Films einen den Rückzug ankündigenden Hubschrauber der französischen Armee, der beim Abwerfen von ein paar lächerlich schmalen Survival-Kits irgendwie auch nah an APOCALYPSE NOW ist. Es gibt die Arbeiter*innen, die wie auf einem Viehtransporter zur Kaffeeplantage gekarrt werden, wo sie in Baracken untergebracht werden, deren Inneres auch als Kulisse für einen KZ-Film hätte dienen können. Dass der Torbogen der Plantage dann auch noch optisch wahnsinnig nah Auschwitz ist, wird weder den Opfern des Kolonialismus noch den rund sechs Millionen KZ-Toten gerecht, sondern ist billige Effekthascherei.
★★★½☆