Gesehen: The Holdovers (2023)
Mit seinem Nachdenken über die Bedeutung von Zugehörigkeit, Freundschaft und Familie hat mich der Film gekriegt. Dieses Kreisen um familienartige Bindungen, die jenseits von Blut und Gesetz passieren, das hat mich sehr berührt – genauso wie der Film Wissbegierde und Neugierde auf die Welt hochhält.
So der Welt und Menschen zu begegnen, bewahrt einen nämlich in den allermeisten Fällen davor, ein komplettes Arschloch zu werden. Klar, diese Kinder und jungen Männer werden ökonomisch betrachtet wohl niemals eine schwere Zeit erleben. Aber psychisch sieht es schon ganz anders aus. Wer kein Interesse an der Welt hat, hat kein Interesse an Bildung. Wer keine Bildung hat, wird nur schwer auf eigenen Füßen stehen und sich von seinen Eltern abnabeln können. Wie soll man sein eigener Mensch werden, wenn man ständig die Erwartungen anderer erfüllen muss, in deren Gussform passen soll?
Und es geht um die immense Bedeutung von Vorbildern oder gar Mentor*innen, die Orientierung bieten können. „Adversary builds character“, sagt Paul Giamattis Paul Hunham. Aber das ist natürlich falsch. Viel wichtiger für eine charakterliche Entwicklung ist es doch zu lernen, dass in Gemeinschaft gegenseitiger Unterstützung wahre Stärke liegt. Das muss auch Paul Hunham erst lernen. Zuerst setzt er seine Bildung als Waffe ein, lässt seine Schüler zu jeder Gelegenheit schmerzhaft spüren, wie klein ihr Wissen doch ist. Dass er jedoch Jahrzehnte Vorsprung hat und der Vergleich einfach nicht zielführend ist, muss ihm jedoch erst noch dämmern. Schließlich lernt jedoch auch er, dass er letztlich genauso durch die Welt geht, wie er es von den reichen Eltern seiner Schüler glaubt: überheblich im Glauben, etwas Besseres zu sein. Ihm wird klar, dass sein Werkzeug der Unterdrückung zwar ein anderes als Geld in rauen Mengen ist, es jedoch den gleichen Effekt erzielt.
Unterm Strich war das alles also total schön, herzerwärmend und berührend. Und gleichzeitig konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, hier doch einen vergleichsweise ambitionslosen Wohlfühlfilm zu sehen. Dabei greift er nach den großen Themen, nur das übersetzt sich für mich oft nicht. Kleine Filme sind kein Problem, sich klein anfühlende Filme aber irgendwie schon. Und der hier ist für mich so einer.
★★★½☆