Filme. (Netz-)Kultur. Medien. Undso. 🖖 Von André Pitz.

Gesehen: Guillermo del Toro's Pinocchio (2022)

André Pitz

Was soll ich sagen? Der unbändigen kreativen Energie und diesem Dickschädel von Guillermo del Toro kann ich einfach nur größten Respekt zollen. Er hätte die ganze Nummer viel einfacher haben können, aber es musste eben Stop-Motion sein. Alleine durch diesen Kraftakt kriegt mich GUILLERMO DEL TORO’S PINOCCHIO zugegebenermaßen eigentlich schon. Durch so etwas bin ich ziemlich leicht zu begeistern und es sieht halt auch einfach richtig toll aus.

Dabei hätte der ganze Film trotz des schier grenzenlosen Stilwillens auch gehörig in die Hose gehen können. Denn nur weil del Toro in EL LABERINTO DEL FAUNO schon einmal erfolgreich faschismuskritische mit märchenartigen Elementen zusammengebracht hat, ist das noch lange keine Garantie für eine Wiederholung des Erfolgs. Doch es geht auch in PINOCCHIO noch einmal auf – und zwar, weil sich der Film nicht nur auf altbekannten Bildern im schmucken neuen Gewand ausruht, sondern auch gegenwärtige politische Beobachtungen eine Rolle spielen.

Eine besondere Rolle in GUILLERMO DEL TORO’S PINOCCHIO spielt die enge Verbandelung von (katholischer) Kirche und dem Faschismus, die Ähnlichkeit beider Systeme und wie sie voneinander profitierten. Die Bewertung eines Lebens – ist Pinocchio nun ein Lebewesen oder nicht? – erinnert einerseits an die Eugenik der Nazis und andererseits an die menschenfeindlichen Auswüchse evangelikaler Rechter, die sich wie die Kirche im Film die Entscheidungshoheit über den Lebensbegriff anmaßen.

Del Toro richtet den Blick durch die Pinocchio-Brille außerdem auf den Kapitalismus. Denn auch Pinocchio wird in ein System „geboren“, in dem er in den Augen anderer erst etwas Wert ist, wenn er selbst in ausreichendem Maße wertschöpfend agiert – also dem Zirkusmann als sensationelle lebende Puppe immer mehr Geld in die Kasse spült oder dem Faschisten den wortwörtlich unsterblichen Soldaten im Kampf um Blut und Boden mimt. Pinocchio wird also standrechtlich durch die kapitalistische Mangel gezogen, bis letztlich kaum mehr als eine leere Hülle übrig bleibt.

Wenig übrig bleibt auch, wenn es mit dem Insektensterben im Speziellen und dem Artensterben im weiteren Sinne so weitergeht. Auch dazu hat GUILLERMO DEL TORO’S PINOCCHIO etwas zu sagen. Pinocchio als Lebewesen aus Holz wird ohne Erbarmen ausgebeutet. Davon können unsere hölzernen Freunde, etwa besonders im Amazonas-Regenwald, ein Lied singen. Von der Klimakatastrophe erzählt der Film also auch – und zwar ohne wachsende Nase.

Selbstverständlich muss dabei die Rolle des Menschen – hier in Form von Geppetto – kritisch beäugt werden. Denn der bringt Pinocchio wie Frankenstein sein Monster ungefragt und ungeachtet der Konsequenzen in die Welt – und zerstört dabei Sebastian J. Crickets Lebensraum.

Trotzt klarer Haltung gibt sich der Film nicht mit einfachen schwarz-weißen Denkmustern zufrieden. Er arbeitet mit einem vielschichtigen Schuldbegriff und kann am Ende doch die Liebe siegen lassen. Hach.

★★★★½

🇺🇸, R: Guillermo del Toro, Mark Gustafson, D: Ewan McGregor, David Bradley, Gregory Mann, Burn Gorman, Ron Perlman, John Turturro, Finn Wolfhard, Cate Blanchett, Tim Blake Nelson, Christoph Waltz, Tilda Swinton, Trailer, Wikipedia

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