Die Challenge in dieser Woche ist, einen bisher ungesehenen Film von Xavier Dolan zu schauen.
Xavier Dolan ist ein Mensch, der viel intensiver und klarer als andere in seinem Alter fühlt. Er agiert introspektiver und gepaart mit seinem fast schon unverschämten Talent als Filmemacher ist er ein sprichwörtliches Geschenk des Himmels. Er lässt sein Publikum in Regionen vorstoßen, in die sich niemand alleine vortraut, geschweige denn die emotionale Ausrüstung dafür hat. In I KILLED MY MOTHER bewegt er sich auf Augenhöhe mit seinem von ihm selbst gespielten Protagonisten mit der Weisheit, jedoch nicht der Verbitterung oder alternativ auch rosaroten Brille eines wesentlichen älteren Filmemachers.
I KILLED MY MOTHER ist die Geschichte von bedingungsloser Liebe, einer naturgegebenen Verbindung zweier Menschen, zwischen denen die Kluft immer größer wird. Der hormongeschwängerte und immer weiter eskalierende Konflikt zwischen einem Teenager und seiner Mutter mag pubertäre Normalität sein, die irgendwann einer erwachseneren Beziehung den Weg frei macht.
Aber im Hinterkopf macht sich die quälende Frage breit: Was ist, wenn der Bund doch reißt? Wenn Bedingungslosigkeit plötzlich von Forderungen untergraben wird? Xavier Dolan exerziert das Undenkbare durch. Denn wenn er als Hubert regelrecht animalistisch „Hör auf, mich zu lieben!“ seiner Mutter entgegenbrüllt, scheint das seinen Ursprung an einem Ort zu haben, zu dem querschlagende Hormone erst gar nicht durchdringen können.
Es ist ein Ort, den wir alle irgendwann einmal besuchen – und zwar in Rage. Eine Rage, die die Perspektive so lange einengt, bis nicht viel mehr als ein Tunnelblick übrig ist. Eine Rage, die uns wie ein pubertierender Teenager aussehen lässt. Der Weg zurück mag schwer sein, aber er lässt sich bestreiten. Doch das ändert nichts daran, dass die Gefühle, die ausgetragenen Konflikte echt sind und bewältigt werden müssen – völlig unabhängig davon, ob sie in rationalen Ursachen begründet sind oder nicht.